auf dem Weg nach Laramy, die Sonne putzen

Rückreise über Panguipulli, Conaripe, Villarica, Pucon, Currarehue (alle Chile), Grenzübergang Mamuil Malal, Junin des los Andes, Piedra de Aguila, Neuquén, Bahia Blanca, Sierra de la Ventana, La Plata (vor Buenos Aires)

In Chile ist die Hölle los. Anscheinend fährt das ganze Land in Urlaub, bei dem schönen Wetter aber auch kein Wunder. Die Seen, die auf unserer Route liegen, sind völlig überlaufen. Ab und zu hüpfen wir mal ins Wasser, schwimmen eine Runde und flüchten dann, so schnell wir können. Die Einheimischen, die immer familienweise anlanden, fühlen sich am wohlsten, wenn ein Holzfeuer kokelt, Fleisch röstet und Wasser für den allgegenwärtigen Matetee simmert. Da reisen gerne mal 10 Menschen in einem Pickup an, auf der Ladefläche sind mit ein paar Stricken ein Kühlschrank, ein paar Matratzen, Stühle, Zelte, Tisch, ein kleiner Generator zur Stromerzeugung und andere lebensnotwendige Dinge festgezurrt. Viele fahren aber auch mit Anhängern, um ein Quad oder Motorräder mitzunehmen. Damit kann man herrlich über den Strand knattern. Oder ein Motorboot. Damit kann man herrlich über den stillen See knattern. Dazu volle Pulle Musik aus den Autolautsprechern, entweder spanische Schnulzen mit corazon, alma, amor (Herz, Seele, Liebe) oder Reggaetonmusik mit Rummtata-Rhytmus. Hinterher kann man anhand der Müllberge sehen, was zu speisen beliebte, hauptsächlich bleiben Limo- und Bierflaschen zurück, kaputte Gummiboote und Mengen von Klopapier (gebraucht, in kleinen Portionen im Gebüsch verteilt). Ein Ranger im Nationalpark meinte neulich, dass viele der freien Campingplätze geschlossen würden, weil der Müll überhandnimmt. Die Argentinos sind übrigens genauso, Natur wird konsumiert und aufgebraucht.

Über Panguipulli (Autobahn) und Conaripe (Piste). Abends gegen 18 Uhr (Sehr zeitig, wir wollten nicht noch einmal vor verschlossener Grenze stehen), etwa 15 Km von der Grenzstation entfernt, plötzlich ein Schild: Grenze geschlossen. Das darf doch nicht wahr sein! Beim Nachfragen in der Polizeistation: Das hätte die Provinzverwaltung in Valdivia so beschlossen, die Grenze wäre nicht mehr passierbar. Wir waren stinksauer, aber es half nichts – 200 km Umweg bis zur nächsten Grenze, ein großer Teil davon über schlechte Staubpisten. Hätten diese Arschgeigen nicht mal vor der Piste Schilder aufstellen können! Über Conaripe und Panguipulli nach Villarica, Pucon, Currarehue…lange Schlangen an der Tankstelle, noch längere Schlangen vor den kleinen Städten (10-17 km), weil abends alle Urlauber von den Seen kamen, scharf auf Restaurants und Party.

An einem unserer Übernachtungsseen (bei Panguipulli) hatten wir abends das Auto grenztauglich gemacht, also alles an Obst, Gemüse, Honig aufgegessen, den Rest gekocht, alle Steine und Muscheln versteckt. Einige Schneckenhäuschen hatten übel nach Verwesung gestunken, deshalb hatten wir sie gewaschen, sortiert und einige davon an den Strand gelegt, damit sie von Kindern gefunden werden könnten. Am nächsten Morgen kam eine Horde kleiner Schweinchen, die den Strand entlang schnüffelten und wir hörten bald ein Geräusch: „Krrtknnrkrtkrt. Schmatzschmatz. Krrt.“

Am nächsten Tag ging die Fahrt bis Tagesende. Im Dunkeln kamen wir an einen kleinen See, 20 km vor der Grenzstation (Mamuil Malal), über 1000 Meter hoch. Beim letzten Mal war dieser See voller toter Fische gewesen, diesmal standen überall Schilder, auf denen vor giftigen Algen gewarnt wurde, wir haben also auf das Schwimmen verzichtet. Die Nacht war sehr kalt (Im Auto nur 7°), aber morgens schien die Sonne und es war ruhig, nur Vogelgezwitscher und Autos, die die Grenzstraße fuhren – davon allerdings relativ viele.

Kurz vor der Grenze standen wir überraschend im Stau. Eine Stunde in praller Sonne für den letzten halben Kilometer und noch einmal eine halbe Stunde in der Grenzstation. Und es kam noch schlimmer. Kurz nach der chilenischen Station begann der Stau der argentinischen Grenze. Später blockierte er die chilenische Abfertigung. 1:0 für Chile. Zum Glück der erste Teil der Passstraße bewaldet, schöne alte Araukarien und andere große Bäume, die Schatten spendeten, denn es war mittlerweile sehr warm geworden. Gegen Mittag wurde es verdammt heiß im Auto, und nicht nur in unserem. Viele Familien, darunter Schwangere, Kleinkinder, Alte; stiegen aus und hockten sich am Wegesrand in den Schatten, andere ließen über Stunden den Motor laufen und stinkerten die anderen ein, um es im Inneren mit der Aircondition schön kühl zu haben. Ein Pärchen drehte seinen Ghettoblaster auf und zeigte eine Street Dance-Vorführung – Appplausss! Nach drei Stunden im Stau und einer halben Stunde in der Grenzstation waren wir endlich in Argentinien, hungrig bis zum Anschlag und stinkesauer. Der arg. Zollbeamte, welcher sogar stolz seine Deutschkenntnisse zum Besten gab, meinte „Da stehen die Deppen 5 Stunden und mehr an der Grenze – haha“.

An einem See hinter der Grenze verbrachten wir unsere „Mittagspause°, das Wasser war herrlich klar und kühl, aber wir waren leider nicht die Einzigen – um uns herum wimmelte es von Leuten. Später rettete Ralf ein brasilianisches Pärchen und machte deren Camper wieder flott, dann steuerten wir nach Junin de los Andes, den Kühlschrank wieder auffüllen.

Seit der Grenze waren wir wieder in der Pampa, teils flach, teils bergig, aber immer sehr trocken. Man kann über weite Entfernungen erkennen, wo Seen und Flüsse liegen, weil an deren Ufern Weiden und Pappeln in leuchtendem Grün wachsen. Leider ist alles vielfach eingezäunt, so dass man voller Begierde aufs Wasser gucken, aber doch nicht hingelangen kann. Wir übernachteten an einem Riesenstausee inmitten steiniger Landschaft. Morgens nach dem Frühstück hüpften wir schnell nochmal in Wasser, klar und frisch. Ich freute mich schon auf die Achate in Piedra de Aguila.

Piedra de Aguila war leider eine herbe Enttäuschung. Die Steine waren langweilig, schon gar keine Achate, der Fluss fast ausgetrocknet. Es war wahnsinnig heiß und schwül, und wir hatten Hunger.

Mittags suchten wir nach einem See, den wir in der Karte gefunden hatten. Die Pisten verzweigten sich immer weiter und nahmen kein Ende. Endlich gelangten wir an ein steiniges Gelände von Felsplatten am Seeufer. Der See war trübe und etwas algig und wäre es nicht so heiß gewesen, wären wir sicher nicht darin geschwommen. Weder Wasser noch Umgebung waren verlockend, also brachen wir bald auf. Seit hunderten von Kilometern hatten wir immer wieder angehalten und Steinproben genommen, so auch hier, wo magere Pferde zwischen Stachelbüschen nach Futter suchten. Treffer! Hier fanden wir interessante Steine, Achate waren auch dabei! Trotz aufziehender Bewölkung war es in der Hitze leider keine ungetrübte Freude, Steine zu sammeln, deshalb blieben es höchstens 2 kg, obwohl wirklich tolle Funde dabei waren.

Abends zuckten Blitze, Gewitter und Regen kühlten die Luft etwas ab. Ausgerechnet mitten im – sehr großen – Neuquén fanden wir im Dunkeln einen öffentlichen „Badestrand“ am Fluss zum Übernachten. Menschenleer – wohl wegen des Gewitters. Trotz Großstadt absolut ruhig und verlassen, wir konnten sogar nackig duschen. Am nächsten Morgen streunten drei herrenlose Hunde um unser Auto und bekamen Restbrot und chilenische Leberwurst, die völlig fade und nach Mehl schmeckte, den Hunden aber sehr wohl mundete.

Der nächste Tag verging wieder mit Fahren, bis zum kilometerlangen Strand von Bahia Blanca (Hier hatten wir vor vier Jahren Versteinerungen gefunden). Nach dem heißen Tag plantschten wir lange in den Wellen, im Schein des Sonnenuntergangs. Es war viel los, bis 24 Uhr kamen immer wieder Leute, aber am nächsten Morgen waren wir fast allein. Hinter uns hohe Dünen, vor uns das Meer.

Nachdem wir unseren Zeitplan überdacht hatten, blieb noch ein Tag zur freien Verfügung. Ralf hatte irgendwo mal gehört, dass relativ nah gelegen ein kleines Gebirge, die Sierra de la Ventana, liegen sollte. Unser nächstes Ziel. Nach zwei Stunden Fahrt landeten wir vor einer geschlossenen Schranke. „Zufahrt zum Stausee gesperrt, Eintritt verboten“. Grrrrr. Auf einer anderen Strecke landeten wir in einem bäuerlichen Dorf aus vergangenen Zeiten und mussten uns zur Bäckerei und zum Kaufladen durchfragen. Wir waren verwundert, dass die Zeit hier komplett stehen geblieben war. Kein Internet-Café, keine Tankstelle, keine Sandwiches – nichts. Ralf wollte schon abwinken und wieder zur Küste fahren, aber ich hatte ein dringendes Bedürfnis nach Ruhe und Abgeschiedenheit und setzte mich durch. Wir fuhren weiter Richtung Berge – und landeten nur fünf Kilometer weiter in einem modernen Städtchen. Vier Eissalons mit WiFi, zwei Waschsalons, eine Bank und alle Annehmlichkeiten der Moderne. Seltsam! Kurz hinter dem Städtchen hielten wir nach einem Fluss Ausschau. In der Ferne sahen wir eine Brücke und fanden dort einen feinen Platz mit hohen Weiden, Gumpe – und einer absolut üblen Zufahrt. Mir blieb fast das Herz stehen, als Ralf halb über die steile Böschung, halb über schmale Stege zwischen tiefen Auswaschungen zum Fluss fuhr, ein Rad in der Luft, ich sah schon das Auto auf die Seite kippen – vor meinem geistigen Auge. Mit klopfendem Herzen lotste ich Ralf unter den Bäumen her. Eine perfekte Stelle für einen heißen Tag! Immer wieder rein in die Gumpe, Schwimmtiefe auf 30 Metern Länge, Vogelgezwitscher. Nicht ganz so schön war, dass immer wieder Fahrzeuge langsam über die Brücke kamen und Leute auf uns hinunterstarrten, mehrmals kam auch Angler-Besuch, der nicht lange blieb. Als wir abends ins Städtchen fuhren, um unsere Wäsche in die Wäscherei zu bringen (ich hatte nur noch 2 saubere Unterhosen und kein sauberes T-Shirt mehr), die Fährtickets auszudrucken und Emails zu checken, brach ein wildes Gewitter mit Sturzbächen los. Damit konnten wir unseren schönen Platz vergessen, die Zufahrt war ja schon in trockenem Zustand eine Katastrophe gewesen. Es gab aber noch einen anderen Flussplatz nah der Stadt, mit schönstem Froschkonzert, leider auch mit reichlich Mücken. Seit wir Chile verlassen haben, quälen die Biester uns, lassen sich aber mit Autan in Schach halten.

Der nächste Tag verging mit endloser Fahrerei, abends fuhren wir von der Schnellstraße ab, einen Feldweg entlang und blieben dann am Wegesrand stehen. Es war herrlich ruhig, die Grillen zirpten und im Gebüsch blinkten Glühwürmchen. Der Bauer vom nahegelegenen Hof war auf uns aufmerksam geworden, fuhr ganz langsam ans uns vorbei, kam einen Weile später wieder und hielt an. „Woher? Wohin?“ usw. dann war er beruhigt, wir sehen ja nicht allzu böse aus. Naja, geht so, der Ralf mit seinem Räuberbart…

Weiter nach La Plata, zur Küste. Am Meeressaum ein Streifen lichter Weidenwald, Zelte und Feuer, dazwischen Pferde, Hühner, Truthähne. Wie erwartet war es sehr heiß, sehr voll, sehr laut. Kunsthandwerk, Fressbuden, laute Musik aus dicken Boxen, mit Animation. Das Wasser sah eklig aus, Flussdelta, sehr dreckig (In Google Earth ist dieses Flussdelta mit einem toten Fisch markiert). Der Boden war feucht, sofort fielen uns Mücken an. Wir fuhren weit über das Schild „Durchfahrt verboten“ hinaus bis in ein schattiges Gebüsch. Blöderweise konnte man hier Quads mieten, deren Fahrwege genau über die Sandbank vor uns und durch das Gebüsch hinter uns führte. Kleine Mädchen und kindische Männer knallten den ganzen Tag schlammverkrustet mit diesen Scheißdingern um uns herum. In der Dämmerung wollen wir einen Erkundungsspaziergang machen – wir haben die Wahl: Durchs dichte Gebüsch, durchs eklige Meer oder durch die völlig verschlammten Wege. Dies ging nur barfuß, denn die FlipFlops saugten sich im Schlamm fest. Einige Frösche brachten sich schnell in Sicherheit, während uns der Schlamm durch die Zehen quoll.

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